Die Umsetzung der EU-Berufskraftfahrerrichtlinie in nationales Recht kann für die Transportunternehmen und ihre Fahrer nicht nur Anpassungsaufwand bedeuten, sondern könnte auch für sinnvolle Verbesserungen und Erleichterungen bei der Aus- und Weiterbildung genutzt werden. Der Einfluss der anstehenden Änderungen kann daher weit über den eigentlichen Qualifizierungsbereich hinausgehen und Wirkung auf die angespannte Situation im Fahrerbereich haben.
Zum Hintergrund: bereits seit 2009 müssen Kraftfahrer im gewerblichen Güterverkehr und im Werkverkehr mit Fahrzeugen über 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht zusätzlich zur Fahrerlaubnis auch eine Qualifikation als Berufskraftfahrer nachweisen; zudem sind ist diese über Weiterbildungen im 5 Jahreszeitraum aufrecht zu erhalten.
Bis zum 23. Mai 2020 muss die Bundesregierung die Vorgaben der neuen EU-Berufskraftfahrerrichtlinie 2003/645 vom 18. April 2018 in nationales Recht umsetzen. Die EU-Richtlinie gibt dem Gesetzgeber dabei Spielräume, die nach Ansicht des BWVL nicht nur im Hinblick auf Verkehrssicherheit, Gesundheitsschutz, wirtschaftliches- und umweltgerechtes Fahren u.a. genutzt werden sollten.
Bei entsprechender Gestaltung könnte hier auch ein Hebel zur notwendigen Verbesserung der Attraktivität des Fahrerberufs und damit ein wichtiger Baustein zur Abmilderung des Fahrermangels liegen. Vor diesem Hintergrund plädiert der BWVL dafür, bei der Umsetzung über den Tellerrand hinaus zu blicken und neben den rechtlich notwendigen Änderungen auch einen zusätzlichen Beitrag für die Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu leisten. Hierfür bieten sich mehrere Tätigkeitsfelder an.
Möglichkeit zum E-Learning
Die EU-Richtlinie sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, E-Learning im Rahmen der Weiterbildung im Umfang von bis zu 12 der insgesamt 35 notwenigen Stunden einzusetzen. Aus Sicht des BWVL läge hier gegenüber Präsensschulungen ein entscheidender Vorteil durch zeitliche und räumliche Flexibilität. Dies gilt nicht nur für die Zeitoptimierung der Unternehmen, sondern auch für die zeitliche Entlastung der Fahrer in ihrer Freizeit.
Zudem könnten Fahrer vor dem Hintergrund unternehmensspezifischer Inhalte zeit- und inhaltsgleich auch in unterschiedlichen Niederlassungen, zum Beispiel mit Hilfe von Videokonferenzen, geschult werden. Damit würde sowohl der zeitliche als auch der finanzielle Aufwand gegenüber Präsensschulungen für alle Beteiligten minimiert und Umweltbelastungen durch unnötige Reisen vermieden.
Ein Blick über die deutschen Grenzen hinaus zeigt, dass in Österreich und den Niederlanden E-Learning bereits erfolgreich praktiziert wird. So erlauben die Niederlande beispielsweise eine Verkürzung der Präsenzschulung, wenn zuvor mit Hilfe einer Lernstandskontrolle der Nachweis für eine erfolgreich absolvierte E-Learning-Einheit erbracht wurde.
Weiterbildung als Arbeitszeit
Problematisch erscheint die Diskussion darum, wie zukünftig die für eine Qualifikationsmaßnahme aufgewandte Zeit gewertet werden soll. Aus Gesprächen mit dem Verkehrsministerium ist zu entnehmen, dass der Zeitaufwand für eine Weiterbildung zukünftig als Arbeitszeit des Fahrers gezählt werden soll. Eine solche Wertung sieht der BWVL vor dem Hintergrund der ohnehin knappen verfügbaren Arbeitszeit des Fahrpersonals äußerst kritisch.
In der Vielzahl der Fälle organisieren nämlich die Arbeitgeber selbst Schulungen für ihre Fahrer und finanzieren diese auch. Hierzu besteht keine gesetzliche Verpflichtung, da die Weiterbildung im Grunde eine Bringschuld des Fahrers ist, ohne die seinen Beruf nicht ausüben kann. Die Zuordnung als Arbeitszeit für diese Bringschuld ist daher grundsätzlich nicht erkennbar. Der BWVL warnt davor, dass sich im Zuge einer derartigen Auslegung Unternehmen aus der Schulungsorganisation und deren Finanzierung zurückziehen könnten, sich den Aufwand also praktisch nicht mehr mit dem Fahrer teilen.
Dies wäre auch für die Qualität der Schulung nicht zielführend. Die wenigsten Unternehmen wären bereit, über die Schulung hinaus auch noch die Arbeitszeit der Fahrer zu vergüten. Zudem stellt sich dann die Frage wie eine Arbeitszeit überhaupt berechnet werden soll, wenn der Fahrer seine Weiterbildung selbst extern organisiert. Unabhängig von Kostenbelastungen für die Unternehmen würden daher weiter andere Problemkreise und mehr Bürokratie entstehen.
Eine Wertung der Weiterbildungszeit als Arbeitszeit würde zudem kontraproduktiv die Fahrerknappheit noch verschärfen. Rechnet man die dann anzurechnenden Stunden einmal hoch, ergäben sich aus der Summe der schulungspflichtigen Fahrerkarteninhaber im 5 Jahreszeitraum eine entsprechende Arbeitszeit von über 50 Millionen Stunden. Um den dadurch verursachten Produktivitätsverlust auszugleichen, müssten rund 4.000 zusätzliche Stellen besetzt werden.
Elektronische Plattform
Die EU-Richtlinie verlangt des Weiteren auch die Einrichtung einer elektronischen Plattform bei den zuständigen Behörden zur Verwaltung der Weiterbildungsdaten. Damit kann endlich den schon lange geäußerten Forderungen der Verbände Rechnung getragen werden, die Möglichkeiten der Digitalisierung auch zur Vereinfachung des Handlings der Weiterbildungsmaßnahmen zu nutzen.
Eine solche Plattform dient nicht nur dem administrativen Abgleich und der Verhinderung von Missbrauch, sondern macht dem leidigen Papieraufwand zur Pflege und Nachhaltung von Schulungsdaten und Dokumentationsprozessen ein Ende. Auch hier zeigt ein Blick ins Nachbarland Niederlande, wie Bürokratieabbau funktionieren kann. Hier haben die Fahrer bereits jetzt jederzeit Zugriff auf ihre zentral verwalteten Fahrerkonten und können sich so auf einfachste Weise über ihren Weiterbildungsstand informieren.
Dadurch wird überflüssiger Aufwand für Fahrer und Unternehmen durch verloren gegangene Urkunden, verzögerte Dokumentationsprozesse, falsche Namensschreibweisen etc. vermieden.
Die Beispiele zeigen, wie die notwendigen Änderungen im Bereich der Berufskraftfahrerqualifikation als Chance zum Nutzen der Adressaten also von Unternehmen und Fahrern sinnvoll gestaltet werden können. Oberstes Ziel sollte auch hier eine Verbesserung des Branchenimages, der Fahrersituation und einer effizienten qualitativ hochwertigen Weiterbildung mit minimalen Bürokratieaufwand sein.