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 „Die Klimaschutzlücke wird kleiner – bis zu 80 Prozent der notwendigen Emissionsminderung in Reichweite“. Gute Nachrichten oder schon fast zu gut, um wahr zu sein? Mit „Der deutsche Ökotraum ist so gut wie ausgeträumt“ titelt der „Stern“ jedenfalls deutlich anders. Beide beziehen sich dabei auf den sogenannten Projektionsbericht der Bundesregierung, den das Öko-Institut und das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ausgearbeitet haben. Im Projektionsbericht wird einmal im Jahr der Stand der europäischen Klimaanstrengungen festgestellt und an die EU-Kommission berichtet.

Allein die Formulierung „bis zu“ lässt aufhorchen. Bei den gut 93.000 Unternehmen, die laut BALM-Statistik den Straßengüterverkehr in Deutschland schultern (jeweils fast hälftig im Werkverkehr und bei Logistikdiensteistern) ist jedenfalls keine Jubelstimmung zu verzeichnen. Zu viele Themen wie Maut, Antriebswechsel oder (Energie-)Infrastruktur liegen wie ein Damoklesschwert über der Branche und trüben die Aussichten für viele ein. Tatsächlich gesteht das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) auch zu, dass der Beitrag zur Verringerung der Klimaschutzlücke von Sektor zu Sektor stark variiert und der Sektor Verkehr deutlich abweicht.

Verkehr hängt (noch) am Erdöl

Insbesondere der Straßengüterverkehr stellt einen der größten Verursacher für die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor dar. Richtigerweise stellt der Projektionsbericht fest, dass die aktuellen Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors in hohem Maße durch Strukturen geprägt sind, die aus der jahrzehntelangen Nutzung verhältnismäßig günstigen Erdöls resultieren. Dass auf die Veränderung dieser Bedingungen adäquat reagiert werden müsse, wird aus Sicht des BWVL dem Ernst der Situation nicht gerecht.

Die Maßnahmen im Bereich Verkehr dauern zu lange. Das gilt nicht nur für die von der überwiegenden Mehrheit aller Transport- und Logistikunternehmen herbeigesehnten Möglichkeiten zur Verkehrsverlagerung auf die Schiene, sondern auch für die Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs. Es fehlt hier für einen zeitnah spürbaren Effekt nicht nur an der erforderlichen Anzahl Fahrzeuge, sondern auch an der dafür benötigten Energieinfrastruktur. Der Aufbau von Ladeinfrastruktur wird sowohl auf Betriebshöfen und Logistikanlagen als auch der im öffentlichen Bereich entlang der europäischen Autobahnen noch Jahre dauern.

Biokraftstoffe fördern

Es gibt jedoch einen Lösungsansatz, der bereits kurzfristig zielgerichtet und erfolgreich angewendet werden kann. In diesem Jahrzehnt stehen allein fortschrittliche flüssige (HVO 100) und gasförmige Biokraftstoffe (Bio-LNG und Bio-CNG) der jeweils neuesten Generation zur CO2-Reduzierung zur Verfügung. Das CO2-Einsparpotenzial gegenüber fossilen Kraftstoffen liegt hier bei 85 bis 90 Prozent.

Mit dem bestehenden dichten Tankstellennetz können Lkw-Bestandsflotten auch unkompliziert und ohne nennenswerten technischen Umrüstaufwand direkt mit fortschrittlichen Biokraftstoffen bis zur realen Einsatzfähigkeit elektrischer Antriebsalternativen übergangsweise versorgt werden und dadurch ab sofort zur CO2-Reduzierung beitragen.

Während jedoch das CO2-Minderungspotenzial bei elektrisch angetrieben Fahrzeugen im Rahmen der Mautreform rechtlich berücksichtigt werden kann und auch wird, fehlt eine entsprechende Anreizregelung für den Einsatz flüssiger und gasförmiger Biokraftstoffe. Eine Verbändeallianz, bestehend aus DSLV, AMOE, BGL, BIEK, BVL, DVF und BWVL hat deshalb der Bundesregierung den Vorschlag gemacht, im neuen Paragraphen 56a zum Energiesteuergesetz eine Regelung zu treffen, mit dem die Unternehmen auf Antrag von der Energiesteuer entlastet werden, die aktiv für die Reduzierung der CO2-Emissionen durch den Einsatz entsprechender Kraftstoffe sorgen.

Auf europäischer wie nationaler Ebene gibt es erste positive Signale. Die EU-Kommission bereitet eine umfassende Revision der Energiesteuerrichtlinie vor; diese sieht u. a. eine Neuausrichtung der Besteuerung weg von der Mengenbesteuerung hin zu einer Besteuerung des Energiegehalts unter Berücksichtigung der Umweltauswirkungen vor und wird von der Bundesregierung unterstützt. Eine rasche und konstruktive Einigung auf EU-Ebene wäre dann eine wirklich positive Meldung wert!

Ein -"Forum"-Beitrag der VerkehsrRUNDSCHAU 16 – 17/2023