Am Mittwoch, dem 6. September 2023, veranstaltete der BWVL e. V. in Zusammenarbeit mit Toll Collect (TC) das Online-Seminar „Mauterhöhung 2023/2024“. Es nahmen weit über 100 Teilnehmer aus dem BWVL-Mitgliederkreis, aus angeschlossenen Verbänden sowie externe Gäste teil.
Das Thema ist aus Sicht des BWVL aktuell von überragendem Interesse für die Verkehrswirtschaft. Bei den Unternehmen bestehen viele offene Fragen und Unsicherheiten hinsichtlich der praktischen Umsetzung. Im Gegensatz zu früheren Mautänderungen ist das jetzige Vorhaben weitaus komplexer, weil sich das System insgesamt verändert und auch neue Begriffe verwendet werden.
Hintergrund ist das laufende Gesetzgebungsverfahren zum Dritten Gesetz zur Änderung mautrechtlicher Vorschriften, das wiederum auf Vorgaben der EU-Wegekostenrichtlinie beruht und dem deutschen Gesetzgeber keinen Spielraum zur inhaltlichen Ausgestaltung lässt. Im Webinar ging es vor allem um die CO2-Emissionsklassen, die als neues Tarifmerkmal eingeführt werden sollen. Weiterhin wird anstatt des zulässigen Gesamtgewichts (zGG) nun die technisch zulässige Gesamtmasse (tzGm, im Fahrzeugscheinfeld unter F.1 zu finden) tarifbestimmendes Merkmal. Die Partikelminderungsklassen werden für die Mauttarife irrelevant.
Die wesentlichen Inhalte des Webinars waren:
- In der EU-Wegekostenrichtlinie wurden fünf CO2-Emissionsklassen definiert. Alle mautpflichtigen Fahrzeuge werden zunächst in die CO2-Emissionsklasse 1 eingestuft.
- Über den von TC entwickelten CO2-Emissionsklassenfinder auf www.toll-collect.de (Kundenportal) können Logistikunternehmen bei TC einen Antrag für ihre Fahrzeuge auf Hochstufung in eine bessere Emissionsklasse ab dem Erstzulassungsdatum 1. Juli 2019 stellen. Dies sollte zeitnah geschehen. TC prüft dann die eingereichten Anträge und Dokumente und gibt die höhere Emissionsklasse bei Vorliegen der Voraussetzungen frei. Zum 1. Dezember 2023 wird die ermittelte Emissionsklasse an das spezifische Fahrzeug übermittelt, damit eine richtige Mauterfassung erfolgen kann.
- In die Klasse 3 werden Fahrzeuge eingestuft, deren spezifische CO2-Emissionen mehr als 8 Prozent unterhalb der Emissionsreduktionskurve liegen. Die Kurve beginnt mit dem vorgegebenen Bezugswert, wird jedoch von Jahr zu Jahr niedriger. Alle 6 Jahre erfolgt eine Neubewertung des Fahrzeugs.
- Für Klasse 4 qualifizieren sich emissionsarme Nutzfahrzeuge, deren CO2-Emissionen weniger als 50 Prozent eines zum Fahrzeug gehörenden Bezugswerts betragen.
- In Klasse 5 fallen emissionsfreie Nutzfahrzeuge ohne Verbrennungsmotor oder mit CO2-Emissionen von weniger als 1 gCO2/km - diese sind bis zum 31. Dezember 2025 mautbefreit. Je niedriger also die CO2-Emissionen eines spezifischen Fahrzeugs, desto höher und besser die Emissionsklasse.
- Die CO2-relevanten Fahrzeugmerkmale befinden sich in der Zulassungsbescheinigung Teil 1 (ZB), der Kundeninformation (CIF) oder der Übereinstimmungsbescheinigung (COC). Für eine Hochstufung der Fahrzeuge sollten am besten alle drei Dokumente über den Emissionsklassenfinder bei TC eingereicht werden, da sich nicht jeder benötigte Wert in jedem der drei Einzeldokumente wiederfindet und häufig eine Zusammenschau der Dokumente notwendig ist.
- Die Einstufung eines Fahrzeugs in die CO2-Emissionsklassen 2, 3 und 4 hängt auch von der Einordnung des Fahrzeugs in Gruppen bzw. Untergruppen ab. Die EU hat 30 Fahrzeuggruppen definiert, um Fahrzeuge mit vergleichbaren Eigenschaften zusammenzufassen. Die jeweilige Fahrzeuggruppe ergibt sich aus den folgenden Fahrzeugmerkmalen: Achsenkonfiguration, Fahrgestellkonfiguration, tzGm. Die
Zuordnung zu einer Untergruppe ist abhängig von den zusätzlichen Merkmalen Liegeplatz im Führerhaus und Nennleistung des Motors. - Hinsichtlich der genannten Merkmale ist ausschließlich relevant, was in den Fahrzeugdokumenten eingetragen ist, nicht die tatsächliche Nutzung/Umrüstung. Ein nachträglicher Einbau eines Liegeplatzes hat deshalb keine Auswirkung auf die Einstufung des Fahrzeugs. Für die Gruppen 4, 5, 9 und 10 hat die EU bereits Untergruppen je nach typischem Nutzungsprofil definiert, z. B. „LH“ (long-haul) für Fernverkehr, „RD“ (regional delivery) für Verteilerverkehr und „UD“ (urban delivery) für Stadtverkehr.
- Aktuell können sich nur Fahrzeuge der Fahrzeuggruppen 4, 5, 9 und 10 für die CO2- Emissionsklassen 2 bis 4 qualifizieren, da hierfür Bezugswerte definiert wurden. Die Emissionsreduktionskurve einer Untergruppe beginnt zum 1. Juli 2019 mit dem Bezugswert und wird von Jahr zu Jahr niedriger. Der Berichtszeitraum eines Jahres dauert vom 01. Juli bis 30. Juni des Folgejahres – bis zum Berichtszeitraum 2025 nimmt die Kurve jährlich um 2,5 Prozent ab und danach bis 2030 jeweils um 3 Prozent. Die EU hat für weitere Fahrzeuggruppen Bezugswerte angekündigt – bis diese Bezugswerte vorliegen, können Fahrzeuge dieser weiteren Gruppen nur in die Klassen 1 und 5 (falls emissionsfrei) eingestuft werden.
- In die Mautpflicht ab 1. Juli 2024 für Fahrzeuge mit einer tzGm von mehr als 3,5 Tonnen fallen sowohl Solofahrzeuge als auch Fahrzeugkombinationen, deren Motorfahrzeuge eine tzGm über 3,5 Tonnen aufweisen. Von Handwerkern genutzte Fahrzeuge, die eine Fahrzeug- bzw. Fahrzeugkombinationsmasse von mehr als 3,5 bis unter 7,5 Tonnen TzGm haben, sollen von der Mautpflicht ausgenommen werden.
- Biofuels finden im Gesetzesentwurf keine Berücksichtigung.